Mieses Karma hoch 2 by David Safier

Mieses Karma hoch 2 by David Safier

Autor:David Safier [Safier, David]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783644314917
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2015-09-20T16:00:00+00:00


31

Die Nacht kam, der Regen ging nicht. Mein nasses Gefieder klebte schwer am Körper und stank wie Vogelpest. Ich zitterte am ganzen Leib. Schon in meinen anderen Leben hatte ich mich gelegentlich gefragt, was an der Natur eigentlich so toll sein soll. Wir Menschen hatten doch extra Dinge wie Häuser, Heizung und Pizza-Lieferservice erfunden, um uns gegen die Launen der Natur zu wappnen.

Barton hatte wenigstens die Flügel von Mama Storch als Schutz. Er hatte es warm und trocken, während ich und meine durchgefrorenen Schwestern um die Wette mit den Schnäbeln klapperten. Selbst diese Geschöpfe der Natur mochten die Natur nicht. Bestimmt hätten sie ein Haus, eine Heizung und einen Regenwurm-Lieferservice super gefunden.

Zwischendrin versuchte ich, Mama Storch dazu zu bewegen, ihre Schwingen auch mal über meine Wenigkeit auszustrecken, aber als Antwort pickte sie mir nur mit dem Schnabel auf den Kopf. Ich hätte am liebsten sofort losgemeckert, dass diese Art von Erziehung pädagogisch nicht wertvoll war und schon gar nicht politisch korrekt, erinnerte mich aber daran, dass so ein Vogel mit Begriffen wie pädagogisch wertvoll und politisch korrekt vermutlich nichts anfangen konnte. Vor allem aber erinnerte ich mich an mein kleines Geschwisterchen Nerv-Köddel, das zerschellt auf dem Waldboden lag – der Vogelgott hab es selig. Auch wegen seines Schicksals schwieg ich lieber.

Mama Storch und ihre Brut schliefen langsam ein, während Barton und ich kein Auge zubekamen. Doch erst als alles um uns herum zu schnarchen begann, trauten wir uns, miteinander zu sprechen. Halb resigniert stellte Barton fest: «Vögel. Wir sind verbliepte Vögel.»

«Störche», präzisierte ich, der Regen tropfte mittlerweile nicht mehr von meinem Schnabel, er stürzte wie ein kleiner Wasserfall von ihm hinab.

Barton reagierte nicht, es war ihm sichtlich egal, welcher Vogel er war: Storch, Albatros oder Emu.

«Vielleicht», bot ich an, «sollten wir versuchen, das Gute an dem Ganzen zu sehen.»

Ich erwartete nicht, dass Barton irgendetwas Gutes an dieser Situation sehen würde. Mir selbst fiel auch rein gar nichts ein, was mir an meinem augenblicklichen Dasein gefiel.

«Gut ist, dass ich nicht so nass bin wie du», antwortete Barton im doppelten Wortsinn trocken.

Während ich noch ausprobierte, ob man auch als Storch-Küken sein Gesicht verziehen konnte, flog ein leuchtendes Licht vom Himmel direkt auf unser Nest zu. Es war ein rundes … nein, besser gesagt ein dickes Licht, und mitten in dieser hellen Lichtkugel schwebte ein fettes Storchenküken, das grinste wie Snoop Dogg nach dem vierten Joint. Es war uns sofort klar, um wen es sich hier handelte.

«Der Mutterblieper», stellte Barton fest.

«Der Mutterblieper», bestätigte ich.

Buddha landete mit seinem dicken Körper sanft wie eine Feder mitten im Nest, ohne den Rest der Familie aufzuwecken, und fragte: «Wie geht es euch?»

«Ist das eine Scherzfrage?», erwiderte Barton und funkelte ihn aus seinen kleinen Storchenaugen wütend an.

«Nein, eine ganz und gar aufrichtige», erwiderte Buddha.

Obwohl er das sagte, hatte ich den Eindruck, er amüsierte sich über uns. Die Frage war nur, amüsierte er sich über uns wie ein milder, liebevoller Vater über die Irrungen und Wirrungen der kleinen Kinderchen oder wie ein Zuschauer von Upps! – Die Pannenshow, der darüber lacht, dass die dicke alte Rentnerin gleich beim Tangotanz in das Buffet fallen wird.



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